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SVV, erwachsen
Neulich auf Arbeit, das Gespräch drehte sich um diese Impfnarben an den Schultern, die vor allem Ossis und andere ältere Menschen (ja, ich sagte "ältere Menschen", mit 44 muß ich das) haben. Die rühren von den Schutzimpfungen her, die wir als Kinder und Jugendliche erhielten.
Eine Kollegin fragt mich: "Hast Du die nicht auch"?
Ich antworte: "Ja, die hatte ich auch, aber die sind verbrannt."
Kollegin schweigt und blickt kurz zu Boden.
Bisher hat mich noch keine Kollegin, noch kein Kollege auf die Narben angesprochen, die unter den T-Shirtärmeln hervorschauen. Anscheinend aber sind manche Kolleginnen im Bilde.
Selbst nach so vielen Jahren ohne neue Schnitte bzw. Verbrennungen spüre ich den oft nur schwer zu beherrschenden Drang, mich zu verletzen. Es hat ja nicht wirklich ein Ende gefunden. Es hat nur die Form gewechselt. Ich reiße Bart- und Nasenhaare aus, Ich zupfe an meinen Wimpern und Augenbrauen herum. Ich isoliere mich sozial, ich habe Zwänge, bin manchmal depressiv, esse Süßkram, obwohl und weil ich weiß, daß ich mich hinterher drüber ärgere, es kostet mich Mühe, keine Klimmzüge, keine Liegestütze zu machen, obwohl meine Ellbögen zu Tennis- und Golferarmen werden, obwohl die Schulter schmerzt, und mir so eindeutig sagen, daß es zuviel ist. Ich vernachlässige das Reinigen meiner Wohnung, obwohl der Staub mir auf den Sack geht und das Bad manchmal wirklich übel riecht. Ich bin zwanghaft und es bereitet mir bösartige Freude, mich damit zu quälen. Und ich habe mein "Besteck" noch immer griffbereit.
Im Unterschied zu früher weiß ich, wieso ich das tue. Ich kenne der Grund für das Schneiden: Ich komme nicht damit zurecht, einsam zu sein, kein zu Hause zu haben, nirgendwohin zu gehören, ein Puzzleteil ohne Puzzle. Nein, das kannst Du nicht exploiten, es würde zu einem Drama führen und wir hatten uns geeinigt: Kein Drama.
Wir halten fest: Deprikram hört nicht auf, nur weil man älter wird oder Therapien macht. Er ändert sich höchstens und man lernt, anders damit umzugehen. Dasselbe gilt für SVV.