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erkenntnis, entwurf
ich träume neuerdings wieder. vom WK I und vom WK II und
von anderen dingen, deren gemeinsamkeit gewalt ist. es sind
keine alpträume, es sind eher verstörende träume weil ich
ihren auslöser nicht bestimmen kann und ihr auftreten in
meinen augen keinen sinn ergibt.
gestern lief die verfilmung von „American Psycho“. ich
glaube, Bateman tötet in jedem seiner opfer sich selbst,
weil sie verkörpern, was ihn ängstigt und zusätzlich will
er wahrgenommen werden. daher die steigerung in der
brutalität seiner taten. er mordet und quält immer
bestialischer und niemand will es sehen. egal was er tut,
er wird nicht bemerkt. er bleibt einer unter vielen. er
verliert sich bzw. das bißchen Ich das er hat, wenn er
nicht wahrgenommen wird. das ist, weshalb mir dieses buch
so zusagt, was hinter meiner vordergründigen faszination
für die gewalt und pornographie des buches steckt, die
existentielle bedrohung der integrität als person, durch
die blindheit der und das untergehen in der masse.
auch ich löse mich auf, wenn ich nicht bemerkt werde.
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(entwurf)
Nur ich
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Ich bin 32 Jahre alt, war zweimal in einer Klinik für
psychosomatische Beschwerden, unterziehe mich seit ein oder
zwei Jahren einer ambulanten Psychotherapie und glaube,
Fortschritte zu machen, da ich allmählich Zutrauen zu
meiner Therapeutin empfinde.
Ich bin etwa 175 cm groß, wiege mindestens 80 kg und mein
Ego ist mindestens 80 cm größer als ich. Die meisten der
Dinge die ich tue, tue ich, um mir die Aufmerksamkeit der
anderen zu sichern. Nicht, das ich irgend etwas besonders
gut könnte. Ich habe herausgefunden, daß ich einfach nur
laut und penetrant sein muß.
Gegen acht Uhr am Morgen stehe ich auf, dazu stelle ich mir
meinen Wecker. Wenn der sein elektrisches Stimmchen erhebt,
wird meine Katze wach und beginnt zu maunzen. Manchmal
werfe ich dann eine Wasserflasche nach ihr und bemühe mich,
die Katze knapp zu verfehlen. Dann stehe ich auf, füttere
die Katze und brühe mir eine Kanne Kaffee. Am Morgen
brauche ich Kaffee, ich brauche das Gefühl des in mein Hirn
eindringenden Coffeins. Dazu rauche ich einige
selbstgedrehte Zigaretten. Das ist mein Frühstück.
Die restlichen sechzehn wachen Tagesstunden verbringe ich
mit dem Lesen von Büchern, mit dem Hören von Musik oder dem
Jammern über mich und die Welt.
Ich weiß nicht, was nützliches an mir ist, oder sein
könnte. Irgendetwas hat mich aus der Bahn geworfen.
Wenn ich mich zu erinnern versuche, wann ich glücklich war,
führt der Versuch meist zu keinem Ergebnis.
Meine Kindheit verbrachte ich, grob gesehen, damit, auf den
Beginn von etwas Schrecklichem zu warten und dabei leise zu
sein. Ab etwa dem siebten Schuljahr beschäftigte ich mich
damit, wie ich mich umbringen könnte. Das war vor ungefähr
18 Jahren. In diesen ungefähr 18 Jahren unternahm ich
mehrere Versuche in dieser Richtung. Zumindest waren sie
vom Wunsch nach dem Tode getrieben, auch wenn sie bis auf
ein oder zwei, kläglich ausfielen. Die eigene Sterblichkeit
in Händen zu halten ist sehr erfüllend, ist ein
berauschendes Gefühl von Macht. Der Suizid setzt voraus,
daß dem Klippie etwas wichtiger ist als das eigene Leben,
daß er einen Anspruch, eine Bedingung hat, unter der er
leben wollen würde wenn sie denn erfüllt werden würde. Der
Suizid ist das marktwirtschaftliche Prinzip des Lebens. Der
Klippie fragt das Leben, „Wieviel kostest du?“ und das
Leben nennt seinen Preis und der Klippie entscheidet, ob
sein Leben diesen Preis wert ist. Es ist ein Irrtum zu
glauben, Leben sei, wenn man unter den gegebenen
Bedingungen das Beste aus ihm macht, immer wert, gelebt zu
werden. Das Beste kann ungenügend sein. Nur zu überleben
ist zu wenig.
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