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2008-06-03 10:23:38 (UTC)

Vorstellungsgespr�ch Zeitarbeit

Wieder ein Vorstellungsgespräch, diesmal bei einer
Zeitarbeitsfirma. Die zahlen 7 Euro pro Stunde. Brutto!
Und sie vermiteln nur Helfertätigkeiten. Von den regulären
Arbeitsstunden wird ein Arbeitszeitkonto angelegt, dieses
wird auf 120 (?) Stunden angefüllt und von dem zehrt der
Arbeitnehmer, falls keine Aufträge für ihn
vorliegen. Der Mann schwärmte davon, daß von ihm
verliehene Arbeitskräfte seit Ewigkeiten bei ein und
demselben Kunde arbeiteten.

Der Hintergrund ist die Aufhebung der Begrenzung der
Ausleihdauer. Ein Arbeitgeber darf Leiharbeiter unbegrenzt
ausleihen. Leiharbeiter verdienen (trotz dieser "Gleiches
Geld für gleiche Arbeit"-Regelung) weniger als reguläre
Arbeitskräfte. Dadurch machen Leiharbeiter die Löhne
kaputt und sind deshalb in Betrieben schlecht gelitten.

Die Firma hatte mein Bewerberprofil gecheckt und da werde
ich als [berufsbezeichnung] geführt, die vollkommen falsch
ist, die ist soweit von meinem Beruf entfernt, wie
Krabbenfischer von Raketenbauer entfernt ist.
Ich unterhielt mich trotzdem mit dem Firmenvertreter und
sagte ihm im Verlaufe des Gespräches, daß der monatliche
Verdienst der Knackpunkt sei, und, fügte ich an, ich will
ehrlich sein, ich habe noch andere Bewerbungen offen,
außerdem, es sei vielleicht ungeschickt das zu sagen, aber
ich sehe einen festen Job als erstrebenswert an.

Der Zettel mit der Fimenphilosophie sagte Dinge wie:
[zitat]
Nicht Du erweist dem Kunden einen Dienst, wenn Du Dich um
ihn kümmerst, sondern er Dir.

Nicht der Kunde ist von Dir abhängig, sondern Du vom
Kunden.

Der Kunde ist nicht die Unterbrechung Deiner Arbeit,
sondern ihr Ziel.

Denke immer daran, der Kunde zahlt Dir Dein Gehalt!
[/zitat]
[sinngemäß]
Du bist nicht beim Kunden, um mit ihm zu diskutieren, zu
versuchen, ihm zu imponieren oder ihm zu zeigen, daß Du
schneller und besser arbeiten kannst als er.

Der Kunde gibt Dir Gelegenheit zu beweisen, daß Du der
Beste für den Job bist.
[/sinngemäß]
Zur Arbeitszeitordnung stand da "Die Höchtsarbeitsdauer
von 10 Stunden pro Tag (Mo-Fr) ist unbedingt einzuhalten.
Sollte diese überschritten werden, ist das vorher mit
[name] zu besprechen."

Mit so einer Firmenphilosophie komme ich nicht klar.
Unterwirf dich, halte die Fresse. Würden Kinder so
behandelt, wäre das Mißhandlung.

Bei einem Stundenlohn von 7 Euro brutto hätte ich in etwa
soviel Geld raus, wie jetzt 1-Euro-Job. Gab's da nicht mal
eine Aussage, die unisono aus Politikermünder tropfte, in
der Art von "Leistung soll sich lohnen!"?
Ich will ja leisten und auch will, daß meine Leistungs
sich lohnt.
Gerüchte besagen, daß ein Teil der Leiharbeiter weiterhin
zur ARGE gehen muß. Es scheint, als entkäme man den Fängen
der ARGE nicht so leicht und wenn man böswillig wäre,
könnte man sagen, daß das gewollt ist, daß die Wirtschaft
sich mittels der Politik ein Prekariat heranzüchtet. Wenn
dem nicht so wäre, wieso fördert die Politik dann prekäre
Arbeitsverhältnisse? Wieso bauen die ARGEn
Qualifizierungsmaßnahmen ab?
Niedrigstlöhner, die aus Angst vor dem sozialen Abstieg,
der ja zum finanziellen Abstigeg dazu käme, die Fresse
halten, sind doch der Traum der Raubtierkapitalisten.
Nicht Lohnsklaven sind das Ziel, sondern Arbeitssklaven,
die unter jedweden Bedingungen ihre Knochen hinhalten.

Wie sind Sie überhaupt auf mich gekommen?
-Über das Arbeitsamt bzw. die ARGE. Da stand
[berufsbezeichnung] in Ihrem Angebot. ... Aber ich finde
das gar nicht in Ihren Unterlagen...
Ich hatte mich schon gewundert, ich bin nämlich kein
[berufsbezeichnung].
-Und Sie haben nie als [berufsbezeichnung] gearbeitet?
Das ist richtig. Ich habe als ... und als ... gearbeitet.
- Aha. Was machen wir denn da jetzt? ... Es gäbe da noch
den Rechnerbau. Da müßten sie [Anzahl] Rechner pro Schicht
zusammenkloppen...
Ja, klingt auch gut, ich glaube, das schaffe ich.
-Also mit "Ich glaube das schaffe ich" kommen Sie aber
nicht weit.
Ich habe noch nie Rechner zusammengebaut, ich habe also
keine Erfahrungswerte auf die ich mich berufen könnte,
somit kann ich nicht sagen, *daß* ich das schaffen werde.
-Ahja. ... Dann haben wir noch Neue Medien.
Und das heißt? [Ich dachte an Videos, Websites und sowas]
-CDs, DVDs.
Bei [firmenname]? Ich sage ihnen das ehrlich, der
Knackpunkt ist das Gehalt, das muß so hoch sein, daß ich
nicht mehr zur ARGE muß.
- Und das müssen dann unbedingt mindestens eintausend Euro
sein?
Netto, ja. Es muß soviel sein, daß ich mit der ARGE
nichts mehr zu tun habe und natürlich will ich mich
finanziell verbessern.
-Naja, es gibt 7 Euro brutto. Wenn ich Sie als
Facharbeiter unterbringen kann, 7 Euro fuffzich,
vielleicht. Aber wir vermitteln nur Helfertätigkeiten.
Ich habe mal im Forst gearbeitet, das hat mir gefallen.
-Nee, die holen sich immer Praktikanten, die können dann
gerade eine Woche mit der kettensäge umgehen und werden in
den Wald geschickt, Bäume fällen. Sowas vermitteln wir gar
nicht und ich weiß auch nicht, wer das überhaupt
vermittelt. Ich glaube, das macht niemand.
... ...
Hm, ich glaube, dann bin ich hier falsch.
-Sie müssen auch sehen,... also Sie haben ja nur
Helfertätigkeiten ausgeführt, eine Ausbildung, in dem
Beruf haben Sie aber nie gearbeitet, ein Praktikum und
dann hier, so lange arbeitslos... und hier mit den
Linuxkursen, hm, damit können Sie gar nicht anfangen, das
nützt überhaupt nichts.
Das steht da drin, damit das nicht so leer aussieht und
weil ich mich dafür interessiere und weil ich diese Kurse
gemacht [also belegt] hatte. Ich sitze ja nicht zu hause
und lasse mir die Sonne auf den Bauch scheinen,
tatsächlich tue ich was, beispielsweise
[arbeitsbeschreibung], aber da kommt natürlich auch nicht
soviel rum. Ich weiß das das insgesamt nicht rosig
aussieht. Ich weiß auch, daß es nicht an Arbeit mangelt,
sondern an Leuten, die angemessen für die Arbeit zu zahlen
bereit sind.
- S-i-e-b-e-n Euro.
... ...
-Tja, wollen Sie Ihre Unterlagen trotzdem hier lassen oder
wollen Sie sie mitnehmen?
Ich lasse Sie bei Ihnen, vielleicht ergibt sich ja was.
Meine Telephonnummer und die Adresse stehen ja in den
Unterlagen.
-Ok, ich rufe Sie an, *falls ich sie erreiche.*
(Ich hatte denen meine E-Mailadresse nicht gegeben, ein
Handy besitze ich nicht.)

Den Englischkurs und die Sachen im BTZ (MS Office,
Kommunikationstraining, Wirtschaftsenglisch) hat er
natürlich glatt unterschlagen (gut, Wirtschaftenglisch und
Kommunikationstraining sind ziemlich hochgestochene
Bezeichnungen) und was Linux angeht, nunja, ich sage nur
TOMTOM, MP3-Player und ich wage APACHE zu sagen und von
weit entfernt klingen da Sachen wie GOOGLE, YAHOO, HP,
NOVELL und APPLE an. UNIX/LINUX - damit kann man etwas
anfangen.

Auf dem Fragebogen des Verleihers wurde seltsame Dinge
erfragt, das Autokennzeichen etwa, oder ob man unter
chronischen Erkrankungen litte, ob das Gehalt gepfändet
sei, ob man straffällig geworden sei, ob aktuell
irgendwelche Gerichtsprozesse liefen oder anhängig seien,
ob man schwanger sei, verheiratet/ledig/getrennt
lebend/geschieden, ob man betriebsärztlich untersucht
worden sei und falls ja, worauf, ob man eine
Gesundheitskartei besäße (Was ist das?). Ich denke, das
der Arbeitgeber sowas gar nicht fragen darf.

Natürlich habe ich Ansprüche (O Gott! Solange arbeitslos
und stellt Ansprüche!)
Ich will davon normal leben können. Ich will Überstunden
bezahlt bekommen. Ich will Fortbildungen. Ganz normal.
Oder?

In der Summe habe ich einen schlechten Eindruck von diesem
Verleiher. Ja, meine Unterlagen ließ ich dort, man weiß ja
nie. Und nein, ich denke nicht, daß ein Arbeitgeber mir
eine Wohltat erweist, wenn er mich einstellt. Ich sehe es
tatsächlich so, daß ich meine Arbeitskraft verkaufe. Wir
machen einander Angebote und nehmen diese an oder lehnen
diese ab.

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Fuck, wir müssen den Arsch hochkriegen.




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